„Mecklenburg, du verschlafenes Land“
war einst die erste Zeile eines meiner Liedtexte, den ich mit „Liebeslied für Mecklenburg“ überschrieb. Darin halte ich die Gedanken fest, die mich immer bewegten, wenn wir in den 80ger Jahren (des letzten Jahrhunderts 😉 ) mit unserer Musikfolklore-Gruppe im sommerlichen Sonnenschein durch das Land fuhren und ich aus dem Auto die Schönheiten unserer Landschaft einsog und genoss. Mir geht es auch heute noch genauso: mein Herz wird weit und leicht, wenn ich durch die bezaubernde Sommerlandschaft von MV fahre. Viele Besucher aus anderen deutschen Gegenden oder fremden Ländern teilen sicher meine Gedanken, wenn sie bei uns ihren Urlaub verbringen. Ist MV ein Urlaubsparadies?
Ja, für drei bis vier Wochen. Unser Alltag sieht weniger sonnig aus, selbst wenn die Sonne in diesem Jahr so intensiv scheint, wie ich es in meinem langen Leben noch nicht erlebt habe.
Ist Mecklenburg- Vorpommern ein Land zum Leben? Ja, für mich schon. Ich bin 65. Doch ich denke, im Groben und Ganzen ist MV ein Land der Alten geworden, zum Teil der Verdrossenen und der zeitweiligen Urlauber. „Wo sind die jungen Leute?“, fragen mich meine neuen jungen Mitbürger/innen, die vor kurzer Zeit von Übersee zu uns kamen. Ja, hmmm. Wo sind sie? Die, die Arbeit haben, machen ihren Job und kommen erst am Abend (erschöpft) nachhause. Viele, die keine Arbeit haben, igeln sich in ihrer kleinen Welt ein und bleiben unter sich oder verlassen MV. „Wo leben Eure Enkel und Kinder?“, werde ich gefragt. Viele leben nicht in MV. Sie leben in Berlin oder Dortmund oder München oder …. – weit weg, weil es dort Arbeit und eine Zukunft gibt. Manche gehen in die weite Welt, weg von Deutschland. Aber manche bleiben auch. Sie sind in den großen Städten von MV, wo sie immer noch heimatlichen Boden unter den Füßen haben. Denn eigentlich fühlen sie sich mit ihrem Zuhause verbunden und manchen treibt es nach kurzen Zeit im Rheinland oder Bayern wieder nach Hause, vielleicht nicht unbedingt ins Heimatdorf, aber nach MV. In irgendeinem Buch las ich einmal folgenden bezeichnenden Satz: „Der Mecklenburger trägt, egal wohin er kommt, etwas von der heimischen Ackerkrume mit sich.“
Unsere Neumitbürger/innen von Übersee haben auf ihrem Fluchtweg, auf dem sie letztlich nach MV geführt wurden, Menschen in anderen Teilen Deutschlands kennengelernt. Bei Besuchen ihrer Verwandten in anderen deutschen Gegenden erkennen sie Unterschiede zu uns Mecklenburg-Vorpommern. Man erlebt viele von uns als kühl bis kalt, abweisend, nicht kommunikativ.
Ja, mit einem gewissen Abstand und im Vergleich mit anderen, südlichen Mentalitäten, erscheinen unsere Menschen in MV häufig verschlossen, abweisend gegenüber allem, was neu ist – Mensch oder Erfindung -, stur, wortkarg und derb – was offensichtlich ein gewisses Maß an Empathie fehlen lässt. Viele sind voreingenommen – alles und jeder wird angezweifelt.
Vergleicht das eben Gesagte mit einem Zitat von Julius Weber, der 1828 über die Mecklenburger schrieb: „Verdammt phlegmatisch, langsam, kalt und schwerfällig erscheint das Volk, wie es bei dem Klima, der groben Nahrung und der Pest der Gesellschaft, kaum anders zu erwarten ist.“* Und schon da liegt der Hund begraben.
Fortsetzung folgt.
*Julius Weber: Deutschland oder Briefe eines Deutschland reisenden Deutschen Bd. 3, Stuttgart 1828, S.603f, 605 Aus: „Mecklenburg Ein Gästebuch“, Hrsg. Urich Bentzien, VEB Hinstorff Verlag Rostock 1980